Spanien muss KESt an britische Credit Suisse-Tochter erstatten – Mit einem weitreichenden Urteil in der Rechtssache C-601/23 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die spanische Steuerverwaltung die auf Dividenden erhobene Kapitalertragsteuer (KESt) an die im Vereinigten Königreich ansässige Credit Suisse Europe Ltd. erstatten muss. Das Urteil markiert einen bedeutenden Schritt zugunsten der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit und setzt nationalen Steuerregelungen enge Grenzen.
Hintergrund: Ausschüttung, Steuer, Verlustsituation
Im konkreten Fall hatte die Credit Suisse Europe Ltd., eine in Großbritannien ansässige Tochtergesellschaft der Schweizer Bankengruppe, Dividenden aus Spanien erhalten. Auf diese Ausschüttungen wurde gemäß spanischem Recht Kapitalertragsteuer einbehalten – ein Vorgehen, das bei ausländischen Empfängern üblich ist.
Allerdings befand sich die Gesellschaft im Ausschüttungsjahr 2017 in einer Verlustsituation. Wäre sie in Spanien ansässig gewesen, hätte ihr nach nationalem Recht eine vollständige Steuererstattung zugestanden – aufgrund fehlender steuerpflichtiger Gewinne. Der steuerliche Nachteil resultierte also allein aus der ausländischen Ansässigkeit.
Entscheidung des EuGH: Inländergleichbehandlung muss auch für EU-Ausländer gelten
Der EuGH stellte klar: Auch wenn das Vereinigte Königreich mittlerweile nicht mehr Mitglied der EU ist, gilt die Kapitalverkehrsfreiheit weiterhin für Drittstaaten, sofern Kapitalbewegungen betroffen sind – was hier der Fall war.
Zudem stellte der Gerichtshof fest:
Die Kapitalverkehrsfreiheit verlangt eine diskriminierungsfreie Behandlung von in- und ausländischen Gesellschaften in vergleichbarer Situation.
Da inländische verlustreiche Gesellschaften in Spanien keine KESt tragen müssen bzw. eine Erstattung erhalten, dürfe einer ausländischen Gesellschaft dieselbe Erstattung nicht verweigert werden, nur weil sie im Ausland ansässig ist.
Auswirkungen: Rückerstattungsanspruch gegen spanische Steuerverwaltung
Der EuGH bejaht daher einen Erstattungsanspruch der Credit Suisse Europe Ltd. gegenüber der spanischen Steuerbehörde. Die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer war unionsrechtswidrig, da sie gegen das sogenannte Inländergleichbehandlungsgebot der Kapitalverkehrsfreiheit verstieß.
Bewertung: Relevanz über den Einzelfall hinaus
Das Urteil hat Signalwirkung für grenzüberschreitende Dividendenzahlungen innerhalb (und teilweise außerhalb) der EU. Es stärkt:
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die steuerliche Gleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften
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die Bindungswirkung der Kapitalverkehrsfreiheit selbst im Verhältnis zu Drittstaaten (wie Großbritannien nach dem Brexit)
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die Möglichkeit, Steuerrückforderungen auch rückwirkend geltend zu machen, sofern vergleichbare Verlustsituationen vorlagen
Für Unternehmen mit Sitz außerhalb Spaniens, die in der Vergangenheit besteuerte Dividendenerträge erhalten haben, eröffnet sich damit potenziell ein Erstattungsweg, sofern sie sich in einer vergleichbaren Lage befanden.
Rechtliche Grundlage:
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Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.12.2024
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Rechtssache C-601/23 – Credit Suisse Europe Ltd. / Agencia Estatal de Administración Tributaria (AEAT)