Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien bestätigte der österreichischen Nachrichtenagentur APA, dass es am Donnerstag nach mehreren Anzeigen wegen Betrugs, Untreue und betrügerischen Konkurses (Krida) Hausdurchsuchungen an mehreren Adressen gegeben habe.
Peter Ulm, der Vorstandsvorsitzende der 6B47 Real Estate Investors AG, über die seit voriges Jahr gemunkelt wird, dass sie nach einem Käufer Ausschau halten würde, nimmt seinen Vorstandskollegen Friedrich Gruber in Schutz. Die 6B47 teilte am Freitag, einen Tag nach der Razzia, in einer OTS-Firmenaussendung mit:
Der Vorstand der 6B47 weist mit aller Deutlichkeit sämtliche Anschuldigungen im Zusammenhang mit dem Bauprojekt “Philips-Haus” zurück.
“Die Vorwürfe auf Verdacht der Untreue und des schweren Betrugs sind völlig haltlos. Unser Bestreben ist es daher, dass dieser Sachverhalt schnellstmöglich aufgeklärt wird. Entsprechend kooperieren wir uneingeschränkt mit den ermittelnden Behörden,” so Peter Ulm, Vorstandsvorsitzender von 6B47.
“Der in den Medien zitierte Geschäftsführer der Projektgesellschaft RBB RENOVATIO und Vorstandsmitglied der 6B47 genießt unser uneingeschränktes Vertrauen. Wir werden daher gemeinsam alles dafür tun, um diese haltlosen Unterstellungen so rasch als möglich aufzuklären,” ergänzt Ulm.
Ursache der Ermittlungen und der gestern durchgeführten Hausdurchsuchung ist ein bereits seit Dezember 2017 andauernder Rechtsstreit mit einem Bauunternehmen auf der Baustelle “Philips Haus”. Dieses hat offensichtlich eine Strafanzeige eingebracht, die der Betreibergesellschaft RBB RENOVATIO im Übrigen noch nicht einmal vorliegt.
Fakt ist, dass im Zuge der Bauarbeiten zahlreiche Mängel aufgetreten und nach wie vor nicht behoben sind. Als Konsequenz hat die RBB RENOVATIO ein neues Bauunternehmen mit der Fertigstellung beauftragt.
Sämtliche unstrittigen Rechnungen seitens der ehemaligen Baufirma sind vom Auftraggeber ordnungsgemäß beglichen. Strittig ist lediglich die Abrechnung von mangelhaften bzw. nicht in vollem Vertragsausmaß erbrachten Leistungen, die vor Begleichung zunächst von unabhängigen Sachverständigen zu bewerten sind.
Das Projekt “Philips-Haus” geht zügig voran, ist vollständig vermietet und wird planmäßig bis zum Sommer 2018 fertiggestellt und eröffnet werden.
Das betroffene Unternehmen, die RBB RENOVATIO, ist eine eigene Projektgesellschaft, an der die 6B47 mit 50% beteiligt ist. Somit ist weder die 6B47 noch irgendein anderes Projekt der 6B47 davon betroffen.
Doch auch die beiden Anzeigenerstatter gehören wie die 6B47 und Sans Souci zur Wiener Hautevolee.
Vor zwei Jahren wurde der Baumeister Baurat h.c. Diplomingenieur Wilhelm Sedlak, der 1945 den Generalauftragnehmer Wilhelm Sedlak GmbH in Wien gründete, vom Wiener Landeshauptmann Dr. Michael Häupl für Verdienste für das Land Wien mit dem Goldenen Ehrenzeichen Österreichs ausgezeichnet. Sedlak beteiligte sich beispielsweise an Forschungen der Stadt Wien zur Reduktion des Baustellenverkehrs.
Die AY-KA Bau GmbH aus Wien von Inhaber Cemil Ayaz arbeitet nicht nur mit ihren 200 Mitarbeitern gänzlich ohne Subunternehmern, sondern machte sich in der österreichischen Öffentlichkeit auch als Hauptsponsor des 3. TRIALOG Champions Cups 2010 im Wiener Franz-Horr-Stadion beliebt, bei dem eine Jugendauswahl von Spielern aus den drei Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam für einen guten Zweck gegen die Profis vom Fußballklub Austria Wien spielen durften.
Ihre gemeinsame Strafanzeige hatte ein zivilgerichtliches Vorspiel.
Am 14. November 2017 hatten die zwei Bauunternehmen Diplomingenieur Wilhelm Sedlak GmbH und AY-KA Bau GmbH eine Forderungs-Klage gegen den PhilsPlace-Bauherrn RBB Renovatio beim Wiener Handelsgericht eingebracht.
Sie klagten zu dem Zeitpunkt die Zahlung überfälliger Teil-Rechnungen (1,875 Millionen Euro) ein und forderten 65.000 Euro Skonti zurück. Bereits im Sommer waren die Kläger vom Werkvertrag mit der RBB Renovatio zurückgetreten. Dem Vernehmen nach werfen sie dem angeblich säumigen Auftraggeber auch vor, tatsachenwidrige Gegenforderungen zu konstruieren.
“Wenn Willi Sedlak eine Klage einbringt, dann muss schon Feuer auf dem Dach sein”, sagte ein namhafter Immobilienentwickler kurz nach der Klageeinreichung zum KURIER. “Er ist eigentlich einer, der immer eine Lösung findet.”
Grund dafür, dass bisher statt 4,4 Millionen Euro nur 1,9 Millionen an offenen Rechnungen bezahlt wurden, seien laut dem beklagten Norbert Leo Winkelmayer “technische Mängel” und eine “mangelhafte Ausführung” der Aufträge. Winkelmayer beschreibt das so: “Es gibt Differenzen bezüglich Leistung und Gegenleistung.” Nachsatz: “Auch die werden wir lösen.”
Das Projekt PhilsPlace ist laut Winkelmayer “komplett ausfinanziert”. Laut Gerhard J. Lottes, Geschäftsführer von “Die Vorsorgewohnung”, einer Tochterfirma der Sans Souci Group, die für den Verkauf der 135 Apartments im Philipshaus zuständig ist, waren zum Zeitpunkt der Klageeinreichung 100 der insgesamt 135 Wohnungen verkauft.
Auch die Verträge mit Merkur, Hofer, Vapiano, Bipa und der Fitnesscenter-Kette John Reed seien unter Dach und Fach.
Die SANS SOUCI GROUP und 6B47 REAL ESTATE INVESTORS AG übernahmen im Juli 2014 das Philips Haus vom Investor Thomas Levenitschnig, wie es heißt für rund 11,5 Millionen Euro.
Levenitschnig selbst soll das Gebäude kurz zuvor um den Jahreswechsel für 9,5 Millionen Euro vom Immobilienentwickler CEBA GmbH Wien gekauft haben. Nach fast 50 Jahren als Österreichzentrale von Philips wechselte das markante, von dem in Wien geborenen Stararchitekten Karl Schwanzer entworfene und heute denkmalgeschützte Gebäude den Besitzer. Schwanzer erlangte mit dem 1973 errichteten BMW-Verwaltunsgebäude in München Weltruhm.
Das Haus an der Triester Straße in Wien, einer Ausfallstraße nach Süden, soll seinen Landmark Charakter nach dem Willen von 6B47 und Sans Souci behalten. Zukünftigen Bewohnern gewährt es einen atemberaubenden Rundumblick. Die geplanten “ready furnished” Apartments sollen bereits ab einer Mietdauer von einer Nacht mietbar sein.
Auf der anderen Straßenseite der Triester Straße baut ein anderer Investor auf dem ehemaligen Gelände der Coca Cola Fabrik bis 2020 ein Wohnviertel mit geförderten Wohnungen ab 5 Euro Miete pro Quadratmeter, was zu einer Belebung des einstigen Gewerbeviertels mit städtischem Leben führen wird.
Auch auf der PhilsPlace-Seite solle es städtisches Leben geben. Mit der Fertigstellung von PhilsPlace, die bereits Ende letzten Jahres auf das zweite Quartal 2018 verschoben wurde, soll auch ein “Vertical Village” mit allen Lokalen und Geschäften “in Vollbetrieb gehen”, sagte Winkelmayer, der damit das Grätzel (Wienerisch für Wohnkiez) aufgewertet sieht.
Laut RBB-Co-Geschäftsführer Friedrich Gruber sind Gutachter am Werk, die feststellen sollen, welche Leistungen die zwei Baufirmen tatsächlich erbracht haben, und wie weit diese Leistungen mängelfrei sind. “Das ist mit der Grund, warum wir Zahlungen nicht geleistet haben”, sagte Gruber dem KURIER.
Aber die Baustellen-Probleme für das PhilsPlace betreffen nicht nur die Firmen Diplomingenieur Wilhelm Sedlak GmbH und AY-KA Bau GmbH.
Mitten in den Bauarbeiten kam es im letzten Jahr überraschend zum Konkurs der Firma, die für die Alu-Konstruktionen des Gebäudes zuständig war. “Das hat uns gute zwei Monate gekostet”, sagte Winkelmayer dem KURIER.
Und dann musste auch noch der Statiker um seine wirtschaftliche Existenz bangen.
Am 23. Oktober 2017 ersuchte der Statiker den Bauherrn, angeblich überfällige Alt-Rechnungen (125.368 Euro) binnen 14 Tagen zu bezahlen. Zugleich forderte er eine Sicherstellung von 20 Prozent des Gesamtauftragswertes (539.500 Euro) unter anderem in Form einer Bankgarantie für seine weiteren Leistungen.
Ansonsten sehe er “die Existenz seines Büros durch das Ausmaß der Außenstände in seiner Existenz gefährdet”, heißt es in einem Schreiben.
RBB-Renovatio- und Sans-Souci-Chef Norbert Winkelmayer versteht die Aufregung nicht. “Gemäß unserer Buchhaltung wurden sämtliche fälligen Rechnungen an den Ziviltechniker bezahlt”, teilt Winkelmayer dem KURIER mit.
Offen seien (zum Stichtag 23. Oktober) lediglich Forderungen in Höhe von netto 60.000 Euro. Diese wollte man nach Prüfung binnen 30 Tagen begleichen.
Neben den beiden Firmen Diplomingenieur Wilhelm Sedlak GmbH und AY-KA-Bau GmbH sollen zwei weitere Firmen Strafanzeigen gegen Gruber, Winkelmayer und eine dritte Person gestellt haben. Welche wollte die Staatsanwaltschaft Wien nicht mitteilen.
Für den beschuldigten Wiener 6B47-Vorstand Friedrich Gruber ist ein Streit um Zahlungsforderungen mit beauftragten Bauunternehmen nichts Neues.
Vor zwei Jahren am 23. Februar 2016 traten er wie auch sein Wiener Kollege Peter Ulm als Geschäftsführer der 2008 gegründeten 6B47 Germany GmbH aus der Heinrich-Heine-Allee 12 in Düsseldorf und als Geschäftsführer von deren Tochtergesellschaft PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH an gleicher Stelle in Düsseldorf gemeinsam zurück.
Wirtschaftlich Berechtigter der beiden Unternehmen ist zu 48 Prozent der Hamburger Kaufmann Bertram Clasen Rickmers (65), fast Allein-Inhaber der RSI Holding GmbH & Cie. KG aus der Springelwiete 1 in Hamburg (4 Prozent hält der Hamburger Manager Jan Boje Steffens, 67).
Die beiden neuen 6B47 Germany GmbH-Geschäftsführer Anton Thomas Schöpkens (48) aus Krefeld und Fred Schelenz (55) aus Düsseldorf (beide kamen am 1. Dezember 2015 in die Geschäftsleitung der 6B47 Germany GmbH) mussten am 24. März 2016 beim Abfassen der Konzernbilanz der 6B47 Germany GmbH für das Jahr 2015 die Bilanz rückwirkend um 820.000 Euro nach unten berichtigen und die Forderung gegenüber der 6B47-Tochtergesellschaft PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH in Höhe von rund 3,2 Millionen Euro hintenanstellen, um deren Eigenkapital zu stärken.
Der Grund war ein Rechtsstreits mit einem wohl zu Unrecht gekündigten General-Bauunternehmer, der Franzen Industrie- und Gewerbebau GmbH aus der Hausener Straße 47 in Kottenheim in Rheinland-Pfalz.
In der zuletzt veröffentlichten Bilanz der 6B47 Deutschland GmbH liest sich das so:
Zum Zweck der Stärkung des Eigenkapitals der PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH hat die Gesellschaft im Jahr 2013 ihre Forderungen gegen die PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH auf Rückzahlung der Ansprüche aus Gesellschafterverrechnungskonten in Höhe von insgesamt EUR 3.211.033,23 in die Kapitalrücklage im Sinne von § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB eingelegt.
Der Bilanzansatz der Beteiligung an der PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH hat sich um EUR 3.211.033,23 erhöht.
Zwischen der PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH und dem Bauunternehmer Franzen Industrie- und Gewerbebau GmbH, Kottenheim, besteht ein Rechtsstreit aufgrund der Kündigungdes Generalunternehmervertrags. Strittig ist insbesondere, ob die von der PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH gesetzte Nachfrist angemessen war und es sich demzufolge um eine fristlose oder freie Kündigung handelt.
Während der Bauunternehmer mit Klage vom 28. Dezember 2012 die Zahlung des restlichen Werklohns verlangt (ca. T€ 2.893), hat die PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH Widerklage mit einer Schadensersatzforderung von ca. T€ 3.044 eingereicht.
Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht Düsseldorf am 31. Juli 2015 ein Zwischenfeststellungsurteil, allein zur Frage der Einordnung der Rechtsnatur der Kündigung, als eine ordentliche oder außerordentliche erlassen. In dem Zwischen-Urteil wurde zu Lasten der PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH festgestellt, dass die von der PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH ausgesprochene Kündigung des Bauvertrags ihrer Rechtsnatur nach keine berechtigte Kündigung sei.
Die Geschäftsführung schätzt, auch nach Kenntnis des Zwischen-Urteils vom 31. Juli 2015, die Erfolgsaussichten einer Klageabweisung in der nächsten Instanz weiterhin positiv ein. Aus diesem Grund wurde gegen das Zwischenurteil fristgerecht Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt.
Da die Werthaltigkeit der Beteiligung an der PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH wesentlich von dem Obsiegen der PDI Frankfurt Alex & Henry’s GmbH in dem vorgenannten Rechtstreit abhängt und die Erfolgsaussichten in diesem Prozess nicht abschließend beurteilt werden können, wurde in 2013 eine Wertberichtigung in Höhe von EUR 875.000,00 vorgenommen.
Der Jahresgewinn der 6BK47 Germany GmbH war zum 31. Dezember 2015 auf Null abgesunken. Im Jahr davor lag er noch bei rund 2,5 Millionen Euro.
Für die Baufirma Franzen Industrie- und Gewerbebau GmbH haben die eingeforderten, aber nicht bezahlten Rechnungen harsche Auswirkungen.
Der geschäftsführende Gesellschafter Michael Franzen (56) aus Kottenheim musste in der Konzern-Bilanz der FRANZEN HOLDING GmbH & Co. KG aus Kottenheim für die Franzen Industrie- und Gewerbebau GmbH im Jahr 2014 ein Minus von 207.000 feststellen und für das Jahr zuvor, dem Künigungsjahr durch die 6B47-Tochter:
Die Gesellschaft erwirtschaftete im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Ergebnis vor Ertragsteuern und Ergebnisabführung in Höhe von TEUR -2.554.
Neben dem Rückgang von Umsatz und Gesamtleistung ist in der Hauptsache das Ergebnis der abgerechneten Projekte deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Insbesondere das Hotelprojekt in Berlin mit einer Unterdeckung in Höhe von TEUR 820 ist maßgeblich für das negative Ergebnis verantwortlich.
Aber wie haben doch gleich Peter Ulm und Friedrich Gruber am vergangenen Freitag die Öffentlichkeit zur Razzia am Standort der 6B47 in Wien wissen lassen? Von den Vorwürfen des schweren Betruges und der Untreue sei ja nur die Projektgesellschaft RBB Renovatio Bauträger & Baumanagement GmbH und eben “weder die 6B47 noch irgendein anderes Projekt der 6B47 davon betroffen.” Nun denn…