Wir finden, das Agieren von EOS ist nicht gerade “ehrbar”. Denn mit sozialer Verantwortung haben die Inkassopraktiken an vielen Stellen nichts mehr zu tun.
Der Otto-Katalog lag jahrzehntelang in vielen deutschen Haushalten so selbstverständlich wie das Telefonbuch. Bei einem derart prominenten Unternehmen, das sich Werte wie soziale Verantwortung auf die Fahnen schreibt, müsste man denken, dass fragwürdige Geschäftsmodelle eigentlich nicht im Fokus stehen.
Zumal die Familie Otto mit einem geschätzten Vermögen von 13,5 Milliarden Euro so etwas eigentlich nicht nötig hätte, sollte man meinen.
Die Familie gehört zu den zehn reichsten Deutschen, belegt laut einer Studie des manager magazins aus Hamburg (Ericusspitze 1) Platz 7.
Schaut man sich die Konzerngewinne an, lässt sich jedoch zunächst schnell feststellen:
Otto ist seit Jahren eher eine Bank als ein Handelsunternehmen. Nur nimmt davon niemand groß Notiz, das ist wohl auch beabsichtigt. Denn während man im Handel nur bescheidene Margen (Gewinn im Verhältnis zum Umsatz) von nicht einmal einem Prozent (eher 0,2 Prozent) erzielt, wird im Finanzdienstleistungsbereich mit rund 40 Prozent ordentlich abkassiert.
Ohne den Finanzdienstleistungsbereich, bei dem das Aufkaufen und Eintreiben von Schulden beispielsweise durch Inkasso die zentrale Rolle spielen, könnte man sogar fragen:
Ist dieser Konzern, bei dem in der Öffentlichkeit EOS oft unbemerkt bleibt, überhaupt langfristig überlebensfähig?
Im Restkonzern bestehend aus dem Handel (otto.de, Manufactum, About You et cetera) und Services (Paketdienst Hermes et cetera) wäre jedenfalls im letzten Geschäftsjahr laut Handelsblatt ein Verlust angefallen.
In einem Youtube-Video veranschaulicht Finanzwende e.V. die Inkassomasche der Otto Group so:
Ich habe zum Beispiel Schwimmflügel für 2,99 Euro im Internet bestellt. Und dann nur 2,09 Euro überwiesen.
Shit happens. 90 Cent zu wenig.
Und dann kriege ich Post, in der dann steht: Hallo, wir sind mit der Inkasso-Dienstleistung beauftragt worden.
Das kostet 70 Euro.
Die sollen ihre 90 Cent ja bekommen. Ich will sie ja nicht betrügen oder so. Aber 70 Euro, um mir einen Brief zu schreiben. Im Ernst? Das macht bestimmt ein Computer.
Ist das legal?
Finanzwende e.V.:
Ja.
Das Unternehmen wurde 1974 unter dem Namen Deutscher Inkasso-Dienst als Teil der Rechtsabteilung des Versandhauses Otto gegründet.
Heute ist EOS ein weltweit agierendes Unternehmen, mit Niederlassungen in Polen, Großbritannien und den USA und einem Jahresumsatz von mehreren Hundert Millionen Euro.
Offiziell, so stellt es das Unternehmen dar, entstand EOS, weil der Otto-Versandhandel so stark gewachsen war, dass ein Teil der Rechtsabteilung ausgelagert werden musste.
Vielleicht spielte aber auch eine Rolle, dass der Gläubiger selbst nach deutschem Gesetz nur wenige Euro pro Mahnschreiben verlangen und nur den tatsächlichen Aufwand in Rechnung stellen darf.
Reicht Otto jedoch seine Mahnungen an EOS weiter, gehen die Ansprüche auf eine rechtlich eigenständige Gesellschaft über, die viel höhere Kosten verlangen kann.
Der Darmstädter Rechtsprofessor Dieter Zimmermann sagte der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT:
Otto hat damit angefangen, seine Forderungen in einen konzernzugehörigen, aber rechtlich selbstständigen Inkassodienst auszulagern, um damit eine zweite Ernte einfahren zu können.
Dadurch sind alle anderen Anbieter ins Hintertreffen geraten. Sie waren rein betriebswirtschaftlich gezwungen, dieses System zu übernehmen.
Das Unternehmen EOS ist wie andere Inkassobüros auch längst dazu übergegangen, alte Forderungen paketweise aufzukaufen. Die alten Forderungen heißen Papiere, was nach Aktien klingt, nach einer lukrativen Anlage. Ein wenig ist es auch so, denn diese Papiere sind so begehrt, dass sie auch im Internet an Börsen gehandelt werden.
EOS zahlt für die Papiere nur ein paar Prozent der ursprünglichen Schulden; wie viel, will das Unternehmen nicht sagen, üblich sind fünf bis zehn Prozent. So bekommt ein Gläubiger, der eine Forderung von 1.000 Euro hat, immerhin noch 50 oder 100 Euro – besser als nichts.
Und EOS, an die Stelle des alten Gläubigers getreten, versucht jetzt, so viele Menschen wie möglich zum Zahlen zu bringen. Gelingt das, darf EOS das ganze Geld behalten. So werden nicht bezahlte Rechnungen zu hoch profitablen Geldquellen.
EOS war in den vergangenen Jahren besonders interessiert an Konsumentenkrediten von Banken und an Titeln aus Krisenländern wie Griechenland und Spanien. Man kann sagen, EOS hat die Finanzkrise perfekt für sich genutzt.
Unternehmen wie EOS sind inzwischen so groß und professionell, dass sich viele Einzelhandelsunternehmen gar keine eigenen Mahnabteilungen mehr leisten.
Platzt eine Lastschrift, beauftragen sie gleich ein Inkassounternehmen, ohne dem Kunden nochmals die Möglichkeit zu geben, die offene Forderung zu begleichen. Die Inkassofirmen fordern den Betrag ein – und zusätzlich mindestens die hohen Inkassogebühren. Ob das legal ist? Dazu gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen.
Im Einzelfall handelt es sich oft nicht um allzu große Summen – wer will da schon klagen, und welcher Anwalt will so ein Mandat schon annehmen?
Die meisten Menschen, denen eine Lastschrift geplatzt ist, ärgern sich darüber, dass ihr Einkauf sich im Nachhinein als unverhältnismäßig teuer herausstellt. Sie bezahlen und vergessen die Sache. Wehrt sich doch jemand gegen ein Inkassobüro, einigen sich die Inkassofirmen lieber außergerichtlich, um keinen Präzedenzfall zu schaffen.
Die Frage ist also mehr als angebracht, ob solche Geschäftspraktiken noch dem Prädikat ehrbarer Kaufmann zustehen?
Dr. Schick von Finanzwende e.V.:
Wir finden: nein.
Finanzwende fordert von Otto deshalb, umgehend die Praktik des Konzerninkassos einzustellen. Eine Antwort steht noch aus. Nun denn…