Ausgerechnet eine Bank, die von deutschen Bürgern mit Milliarden Euro aus den Miesen geholt wurde, schränkt obendrein noch die Bürgerrechte ein. Mit einer unvergleichlichen Selbstverständlichkeit entschied die Bank vor kurzem, was über sie geschrieben werden durfte und was nicht.
Am 16. September 2009 genügte wohl ein Anruf des Geldhauses bei Deutschlands größter Presseagentur, der DPA, – und die Meldung über einen Skandal war gelöscht. Keine Zeitung, kein Radio- oder Fernsehsender sollte erfahren, dass das deutsche Geldhaus von einem Internet-Kriminellen gehackt wurde.
Die Bank mit Sitz in Frankfurt am Main und 15 Millionen Privatkunden war zum Glück für die Kunden nicht das eigentliche Ziel des Angriffs. Der Hacker wollte sich nur der Kraft des hochwertigen Bankrechners bemächtigen, um damit auf das Internetportal des New Yorker Finanznachrichtendienstes www.GoMoPa.net zu schießen. Der Kriminelle installierte auf dem Bankrechner einen Trojaner. Auf Knopfdruck schoss der Bankrechner Massen-Müll-Anfragen (DDoS-Attacken) auf die Webseite von GoMoPa ab.
GoMoPa war deshalb seit dem 1. September 2009 nicht mehr zu erreichen. GoMoPa informierte nach zwei Wochen Dauerattacken den Sicherheits-Chef der Bank und teilte ihm die IP-Adresse mit, von der die Angriffe ausgingen. Der Sicherheits-Chef teilte GoMoPa mit, dass die genannte IP-Adresse zur Bank gehöre und dass er alle 40.000 Rechner der Bank überprüfen lassen werde. Die Auswertung dauere allerdings ein paar Tage.
GoMoPa entschied sich für eine OTS-(Original-Text-Service)-Meldung, Inhalt: Im Zusammenhang mit einem Internetangriff auf GoMoPa wurde ein Bankrechner in Deutschland missbraucht, die Banktechniker suchen den Fehler. Die Tochter der Deutschen Presseagentur (DPA) verbreitete die Meldung am Nachmittag des 16. September 2009 in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Viele Medien veröffentlichten den Sachverhalt sofort auf ihren Internet-Seiten.
Die Bank drohte allen
Doch kaum hatte die Bankzentrale die Meldung auf dem Tisch, riefen die Banker bei GoMoPa an, GoMoPa sollte die Meldung zurückziehen. Man wolle als Bank nicht im Zusammenhang mit Internet-Terrorismus genannt werden. GoMoPa zog die Meldung selbstverständlich nicht zurück, schließlich war es die Wahrheit. Allerdings rief die Bank daraufhin bei allen Medien an, die die Nachricht veröffentlicht hatten, und drohte den Medien Maßnahmen von der Bank-Rechtsabteilung an. Welches Medium legt sich mit einem Geldhaus an? Die DPA-Tochter und viele andere Medien löschten die Meldung. Darunter auch Zeitungen, die in ihren Titeln das Wort “Freie”, “Freier” oder “unabhängig” verwendeten.
Redakteure verschiedener Medien riefen bei GoMoPa an und entschuldigten sich, sie seien zu klein oder wollten einfach keinen Streit mit einer Bank. Aber man hoffe, so der Grundtenor der Journalisten, dass die Wahrheit dennoch ans Licht gelange. Viele warteten auf den Spiegel aus Hamburg, der als Meinungs-Flaggschiff in Deutschland gilt. Doch auch der blieb stumm.
Die DPA schrieb GoMoPa einen Brief. Inhalt: Da Sie Ihren Sitz und Rechtsstand im Ausland haben und es Beschwerden über Ihre Meldungen gab, verbreiten wir die Meldungen nicht mehr. Die DPA wird von einem Pool deutscher Zeitungen bezahlt. Hauptzahler ist die Axel Springer AG aus Berlin (Bild, Welt, Morgenpost, BZ, Euro am Sonntag, Finanzen.net).
Ein Geldhaus schaltet nicht nur Anzeigen bei den Zeitungs-Verlagen, es sitzt in vielen Aufsichtsräten, hat die Verlage als Kunden und entscheidet auch über Kredite. Da könnte natürlich ein Anruf genügen.
Verleger müssen hart kalkulieren: Freiheit oder Geld
Aber nicht nur Banken entscheiden in Deutschland über die Pressefreiheit. Jeder, der Geld hat, kann in Deutschland praktisch jede Zeitung zum Schweigen bringen. Wer allerdings nicht ganz so hoch in der deutschen Machthierarchie steht, der setzt Anwälte ein. Meist gewinnen diese schon im Vorfeld. Denn hinter den Redakteuren müssen Verlagskaufleute hart kalkulieren: Bringt uns eine Schlagzeile so viel mehr Auflage und damit höhere Anzeigenpreise und mehr Werbekunden ein, dass es sich lohnt, gegen Unterlassungsklagen mit Streitwerten von 250.000 Euro zu kämpfen?
Die springereigene Euro am Sonntag und auch die Financial Times Deutschland der Gruner + Jahr AG & Co KG aus Hamburg knickten Anfang August vor den Drohschreiben des Gütersloher Dubai-Fonds-Emissionshauses Alternative Capital Invest (ACI) ein. Zwar versicherten sich die Chefredakteure bei GoMoPa, dass die von GoMoPa gelieferten Recherche-Ergebnisse über die ACI und deren Chefs, Uwe Lohmann (64) und dessen Sohn Robin (34), aus erstklassigen Quellen stammen und vor Gericht beweisbar sind, aber dennoch wolle man einem finanziellen Risiko aus dem Weg gehen und löschte bereits online veröffentliche Meldungen kommentarlos.
ACI verklärte Löschungen als Wahrheitssieg
Die ACI feierte die Löschungen und schrieb in einer Pressemitteilung wörtlich: “Darüber hinaus wurde über Herrn Robin Lohmann weiter behauptet (ursprünglich in GoMoPa veröffentlicht und anschließend unter anderem in der Financial Times und Euro am Sonntag von dort übernommen), er habe einen Privatjet für 17 Millionen Euro sowie 6 Bentleys bestellt. Zudem hätten die Lohmanns in Panama eine neue Identität beantragt. Sämtliche Äußerungen sind frei erfunden. Die beiden letztgenannten Medien, Financial Times und Euro am Sonntag, haben hinsichtlich dieser Äußerungen strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben beziehungsweise ihnen wurde diese Äußerung durch einstweilige gerichtliche Verfügung verboten.”
Keine Stellungnahme von Euro am Sonntag und Financial Times
GoMoPa schrieb beide Zeitungen an und bat um eine Stellungnahme. Die Zeitungen zogen es vor zu schweigen. GoMoPa veröffentlicht weiterhin die Wahrheit über die ACI. Die ACI reagierte mit einer Schmähkritik auf der Firmen-Internetseite. GoMoPa ging rechtlich dagegen vor und gewann. Die ACI nahm die Verunglimpfung aus dem Netz und zahlte die Kosten für den GoMoPa-Anwalt: 1.500 Euro. Der Inhalt der GoMoPa-Meldungen war nie strittig.
Störende Pressefreiheit: Hypo Real Estate
Kommentator Hans-Jürgen Jakobs schrieb am 2. Juni 2009 in der Süddeutschen Zeitung über die außerordentliche Hauptversammlung an diesem Tag der Skandalbank Hypo Real Estate in München, bei der die Presse ausgesperrt wurde:
“Die Fast-Pleitebank Hypo Real Estate überlebte nur, weil der Staat Milliarden zuschoss – doch Fernsehbilder soll es von der außerordentlichen Hauptversammlung nicht geben.
Die Hypo Real Estate ist eine besondere Bank. Vor einem Jahr noch war sie weithin unbekannt, inzwischen ist sie ein Synonym für Fehlsteuerungen im Finanzmarkt. Weil sie aber als “systemisch” gilt, eine Pleite andere Banken und Betriebe nach unten reißen würde, steigt der Staat ein und gewährt Bürgschaften von mehr als 100 Milliarden Euro.
Es handelt sich also um eine durch und durch öffentliche Bank, die sich doch den Luxus leistet, auf der außerordentlichen Hauptversammlung an diesem Dienstag (2. Juni 2009) die elektronischen Medien auszusperren. Es wird in Bild und Ton nichts geben: nicht einmal, wie sonst, Mitschnitte der offiziellen Reden. Die Pressefreiheit verschwindet pikanterweise an einem Tag, an dem die Tagesordnung nur einen Punkt hat: die Übernahme von 90 Prozent der Aktien durch den staatlichen Rettungsfonds Soffin.
Offenbar könnten Bilder von wütenden Aktionären im Saal stören. Die Anleger des aus dem Reich der Hypo-Vereinsbank hervorgegangenen Immobilienfinanzierers haben eine lange Leidenszeit hinter sich. Womöglich soll nicht mittels Krawall-Impressionen der Eindruck vermittelt werden, die Steuerzahler müssten für eine windige Sache geradestehen. Am Ende fliegen noch Schuhe aufs Pult! Der Boykott der Presse ist angesichts dieser wichtigen öffentlichen Angelegenheit ein gedanklicher Irrläufer. Zu Recht protestieren ausgesperrte Fernsehsender.
Die restriktive Politik börsennotierter Unternehmen hat Tradition. 2004 erhielt der damalige Aufsichtsratschef der Hypo-Vereinsbank deshalb stellvertretend den Anti-Medienpreis Verschlossene Auster. Gelernt haben die Nachfolger nichts – und das im neuen Staatskapitalismus deutscher Art.”
Diese Vorgehensweise hat auch die ACI für ihre Anlegerversammlung in der Gütersloher Stadthalle gewählt. Anlegerschutzanwälte und Journalisten waren nicht zugelassen. Die Polizei machte Ausweiskontrollen und sperrte die Stadthalle für Nichtanleger ab. Aus Angst vor GoMoPa und seinem Netzwerk von Anwälten, wie man der Presse erzählte – dazu ist sie wohl noch gut genug, die Pressefreiheit.